Das geschlossene Carbonatsystem
Gegeben sei eine 10-3 molare Carbonatlösung. Gesucht ist die Spezies-Verteilung im pH-Bereich zwischen 1 und 13.
Vorbetrachtung
Gäbe es in der Hydrochemie eine Top-10 der meist zelebrierten Diagramme, dann stünde wohl an erster Stelle die Verteilung der drei Carbonat-Spezies CO2, HCO3- und CO3-2 als Funktion des pH-Wertes (etwa so wie in der Abbildung unten). Man betrachtet dazu das ideale CO2-H2O-System und löst die zugehörigen Gleichungen (oftmals mit einem Näherungsansatz).
Bei Vorgabe von 1 mM DIC ist der pH-Wert eindeutig festgelegt: pH = 4.68 (bei 25). Um den pH-Wert zu variieren, bedarf es zusätzlicher Freiheitsgrade. Dies geschieht durch Zugabe einer Base oder Säure:
Um die pH-Skala zwischen 1 und 13 zu durchlaufen, dafür gibt es mehrere Möglichkeiten. Drei davon sind:
Option 1. Man starte mit der reinen CO2-Lösung und gebe schrittweise HCl hinzu bis pH 1 erreicht ist. Danach wiederhole man dies mit schrittweiser NaOH-Zugabe bis pH 13 (ebenfalls beginnend mit der reinen CO2-Lösung).
Option 2. Man generiere eine stark basische Startlösung mit pH 13 (H2O + 137.2 mM NaOH). Danach schrittweise HCl-Zugabe bis pH 1 erreicht ist.
Option 3. Man generiere eine stark saure Startlösung mit pH 1 (H2O + 122.4 mM HCl). Danach schrittweise NaOH-Zugabe bis pH 13 erreicht ist.
[Die Titrationskurven für jede Option unterscheiden sich geringfügig. Dafür gibt es zwei Gründe: (i) unterschiedliche Ionenstärken und (ii) Na bildet aquatische Komplexe wie z.B. NaHCO3, NaCO3-; Cl hingegen nicht.]
Titrationsrechnung für Option 1
Hat man sich auf eine Option festgelegt (hier Option 1), dann bietet das Programm verschiedene Berechnungswege:
Weg 1. Man starte mit reinem Wasser (Taste H2O) und nutze das Reaktionstool (Taste Reac). Zwei Reaktanten sind für jeden Titrationspunkt vorzugeben:
- 1 mM CO2 (entspricht 1 mM DIC)
- entweder HCl oder NaOH (mit schrittweise steigenden Werten)
Weg 2. Bei dieser Methode wird nicht die Menge an NaOH bzw. HCl vorgegeben, sondern der pH-Wert. Die dazu erforderlich Zugabemenge berechnet das Programm selbst.
Man beginnt mit reinem Wasser (Taste H2O) und stellt die Maßeinheit auf mmol/L (obere Checkbox Mol). Danach gebe man ein: 1 mM DIC, den gewünschten pH-Wert, z.B. pH = 3, und einen beliebigen Startwert für Cl (imitiert HCl-Zugabe), z.B. 1 mM Cl.
Mit Start beginnt die Rechnung; zum Ladungsausgleich wähle man den Parameter “Cl”. Die vollständige Speziierung findet man in den Ausgabetabellen. Einige Beispiele sind unten angegeben.
Für pH > 4.68, nehme man Na anstelle von Cl (imitiert NaOH-Zugabe). Die Zahl der Titrationsschritte (pH-Vorgaben) kann man selbst bestimmen. Die Tabelle unten dient lediglich als Anregung. (Die Tabelle zu erstellen, geht schneller als man zunächst vermutet.)
Was man am Ende erreicht, sieht in etwa so aus:1
Ergebnisse und Diskussion
Tabelle. Die Tabelle zeigt ausgewählte Titrationspunkte. Sie enthält die HCl- bzw. NaOH-Zugabemenge, die Carbonat-Speziierung (in mM) sowie Angaben zur Ionenstärke (I in mol/L) und zur Alkalinität (Alk in meq/L).2
Die reine CO2-Lösung (ohne HCl und NaOH) ist orange markiert.
Massenbilanz. Die Summe aller fünf Carbonat-Spezies (in jeder Zeile) ergibt exakt die DIC-Konzentration:
(1) | DIC = CO2 + HCO3- + CO3-2 + NaHCO3 + NaCO3- = 1 mM |
Diese Gleichung lässt sich umformen zu:
(2) | DIC = CO2 + [HCO3-]T + [CO3-2]T |
wobei alle Hydrogencarbonate und alle Carbonate in jeweils einem separaten Term zusammengefasst sind:
(3a) | [HCO3-]T | = HCO3- + NaHCO3 | |
(3b) | [CO3-2]T | = CO3-2 + NaCO3- |
Diagramme 1. Die Tabellenwerte sind in zwei Diagrammen dargestellt. Das obere Diagramm zeigt die pH-Abhängigkeit jeder einzelnen der fünf Carbonat-Spezies. Das untere Diagramm zeigt die pH-Abhängigkeit von CO2, [HCO3-]T und [CO3-2]T. Hierbei sind das “freie Ion” HCO3- mit dem Komplex NaHCO3 zum (Gesamt-)Hydrogencarbonat sowie das “freie Ion” CO3-2 mit dem Komplex NaCO3- zum (Gesamt-)Carbonat zusammengefasst.
Im unteren Diagramm — welches so gut wie in keinem Lehrbuch fehlt — zeigt sich eine Art von “Symmetrie” um den Äquivalenzpunkt 8.2. Im pH-Bereich zwischen 6 und 10 dominiert das Hydrogencarbonat (Bicarbonat). In diesem pH-Bereich sind auch die natürlichen Wässer angesiedelt.
Diagramme 2. Eine alternative Darstellung, zugeschnitten auf die Massenbilanz-Gleichung (1), bietet das Gestapelte-Flächen-Diagramm (bei dem die Summe aller Carbonat-Spezies exakt 1 mM DIC ergibt):
Anmerkungen
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Die Berechnungen kann man bis pH 14 ausführen (wie hier gezeigt), doch erfordert dies eine Zugabe von 1745 mM NaOH, was zu einer Ionenstärke oberhalb des Gültigkeitsbereichs herkömmlicher Aktivitätsmodelle führt. ↩
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CO2 ist eine Abkürzung für die zusammengesetzte Kohlensäure H2CO3*. ↩