Zwitterionen und Aminosäuren
Ein Zwitterion besitzt (mindestens) zwei funktionelle Gruppen, von denen eine positiv und die andere negativ geladen ist. Die wohl bekanntesten Vertreter sind die Aminosäuren mit der Aminogruppe -NH2 (basisch) und der Carboxygruppe -COOH (sauer). Die Aminogruppe als die stärkere Base entzieht der Carboxygruppe das H+ (die Aminogruppe deprotoniert die Carboxygruppe):1
Das neutrale Zwitterion ist nur eine Existenzform der Aminosäure in der wässrigen Lösung. Je nach dem pH-Wert tritt es entweder als Kation oder Anion auf:
Dies erinnert an das Verhalten einer 2-protonigen Säure:
deren zwei Dissoziationsstufen durch die Säurekonstanten K1 und K2 festgelegt sind.
Glycin vs. Kohlensäure
Die einfachste Aminosäure ist Glycin (NH2-CH2-COOH), die wir mit HGly abkürzen, oder noch kürzer mit HA, wobei A = Gly-. In der Strukturformel oben besitzt Glycin die kürzeste Seitenkette R = H. Die drei in Lösung existierenden Spezies sind:
[0] = [H2A+] | = [H2Gly+] : | NH3+-CH2-COOH | (Kation) | |
[1] = [HA] | = [HGly] : | NH3+-CH2-COO- | (neutrales Zwitterion) | |
[2] = [A-] | = [Gly-] : | NH2-CH2-COO- | (Anion) |
Die beiden Säurekonstanten (im Vergleich mit der Kohlensäure) sind:
Glycin: | pK1 = 2.35 | pK2 = 9.78 | |
Kohlensäure: | pK1 = 6.35 | pK2 = 11.33 |
Die pH-Abhängigkeit der drei Spezies (abgekürzt durch [j]=[0], [1], [2]) lässt sich anhand der Verteilungskoeffizienten aj = [j]/CT veranschaulichen:
Titrationskurven. Die Titration von Glycin mittels einer starken Säure (HCl) bzw. Base (NaOH) liefert folgendes Bild:
Das linke Diagramm zeigt die Berechnung für vier CT-Werte mittels einfacher analytischer Gleichungen.2 Im rechten Diagramm erfolgt für CT = 0.1 M der Vergleich mit dem numerischen Modell aqion (welches Aktivitätskorrekturen berücksichtigt).
Pufferkapazität und Pufferintensität
Die mathematische Beschreibung der Pufferkapazität und Pufferintensität erfolgt ähnlich wie bei gewöhnlichen 2-protonigen Säuren. Die nachfolgenden Diagramme zeigen die Pufferkapazität (als blaue Titrationskurve) zusammen mit der Pufferkapazität β (grün) und deren Ableitung dβ/dpH (rot). Zwei Fälle sind dargestellt: (unendlich) hoch-konzentriertes Glycin und für CT = 500 mM.
Die kleinen Kreise an den Nullstellen von dβ/dpH entsprechen den Extrempunkten der Pufferintensität β und den Wendepunkten der Titrationskurve (blau). Die blauen Kurven entsprechen hierbei den Titrationskurven im vorherigen Diagramm, wobei allerdings die x- und y-Achsen vertauscht sind.
Mehr Beispiele zu zwitterionischen Säuren sind hier.
Anmerkungen
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R symbolisiert die Seitenkette (Glycin: R = H, Alanin: R = CH3, usw.). ↩
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Zur mathematischen Herleitung siehe Review (2021), Lecture (2023) oder PowerPoint (2017). ↩