Säuren und Basen

Drei Konzepte

Unser Verständnis über Säuren und Basen hat sich historisch über einen langen Zeitraum herausgebildet:

Die drei Konzepte lassen sich wie folgt zusammenfassen:

  Konzept Säure Base
  Arrhenius (1884/87) enthält H+ enthält OH-
  Brønsted-Lowry (1923) H+-Donator H+-Akzeptor
  Lewis (1938) e--Paar-Akzeptor e--Paar-Donator

Venn-Diagramm: Säure-Base-Konzepte

Das Venn-Diagramm rechts zeigt, wie das “allumfassende” Lewis-Konzept die Konzepte von Brønsted-Lowry und Arrhenius in sich einschließt.

Spricht man von Säuren oder Basen, so spricht man zwangs­läufig vom pH-Wert. Der pH ist ein Maß für die H+-Konzentration (genauer: der H+-Aktivität). So ist es naheliegend, fortan das Protonen-Transferkonzept von Brønsted-Lowry zu bevorzugen.1

Protonen-Transfer in Säure-Base-Reaktionen

Eine Säure HA ist ein Protonendonator; sie setzt im Wasser Protonen frei (in Form von H+ bzw. H3O+):

(1a) HA  =  H+ + A-
(1b) HA + H2O  =  H3O+ + A-

Beide Formeln drücken denselben Sachverhalt aus. Wir favorisieren die kürzere Schreib­weise in 1a,2 behalten aber im Hinterkopf, dass freie H+-Ionen im Wasser nicht vorkommen (dazu sind sie zu reaktiv und bilden sofort das Hydronium-Ion H3O+).

Bei Säuren sind die Definitionen von Arrhenius (Substanz, die H+ enthält) und von Brønsted-Lowry (H+-Donator) quasi identisch. Bei Basen ist dies aber nicht der Fall:

    Arrhenius-Base: enthält OH- (z.B.  NaOH, KOH, NH4OH, …)
    Brønsted-Lowry-Base: H+-Akzeptor (z.B.  OH-, Cl-, NH3, …)

So lassen sich zwar alle Arrhenius-Basen3 in einer einzigen H+-Akzeptor-Gleichung zusammenfassen:

(2) OH- + H+ = H2O ,

bei Brønsted-Lowry kommt allerdings etwas ins Spiel, was es bei Arrhenius nicht gibt: konjugierte Säure-Base-Paare.

Konjugierte Säure-Base-Paare.  Man addiere 1a zu 2 und erhält:

                 
(3a)   HA + OH- = H2O + A-
(3b)   Säure + Base = konjug. Säure + konjug. Base
            (der Base OH-)   (der Säure HA)

In dieser Reaktionsgleichung treten die H+ Ionen nicht explizit auf, da diese zwischen konjugierten Säure-Base-Paaren übertragen werden. Sie treten nur in den “Halb-Reaktionen” 1a und 2 auf.

             
(3c)   Säure = H+ + konjug. Base
    (Proton-Donor)       (Proton-Akzeptor)

3c ist allgemeingültig und auf mehrprotonige Säuren anwendbar, und zwar auf jeden einzelnen Dissoziationsschritt (wie hier).

Autoprotolyse.  Ein Spezialfall von 3a ist die Selbstdissoziation des Wassers:

(4) H2O + H2O  =  H3O+ + OH-

Hier agiert Wasser sowohl als Säure als auch als Base. Solche Stoffe nennt man “Ampholyte”.

Säurekonstante KS und pKS-Wert

Protonentransfer-Reaktionen laufen sehr schnell ab, so dass sich das chemische Gleichgewicht in kürzester Zeit einstellt. Dies legitimiert das Anwenden der Gleichgewichts-Thermodynamik (ganz im Gegensatz zu langsamen Reaktionen, wie z.B. den Redox-Prozessen, deren Beschreibung meist Kinetik-Gleichungen erfordert).

Die Gleichgewichtskonstante der Reaktionsgleichung (1a) heißt

(5) Säurekonstante: \(K_S = \dfrac{\{H^+\}\{A^-\}}{\{HA\}}\)

Der Wert von KS ist ein Maß für die Stärke der Säure (je größer KS, desto stärker die Säure). Da die KS-Werte mehrere Zehnerpotenzen überstreichen, geht man oft zum Logarithmus von 5 über:

(6) log KS  =  log {H+} + log {A-} – log {HA}

Der negative dekadische Logarithmus der Säurekonstanten wird hierbei mit pKS abgekürzt:

(7) pKS = – log KS

Mit der Definition des pH-Werts, pH = –log {H+}, ergibt sich aus 6:

(8) pKS = pH – log {A-} + log {HA}

Anhand des pKS-Werts lassen sich Säuren in starke und schwache Säuren einteilen. In der Literatur findet man dazu viele unterschiedliche Klassifikationen; eine sehr einfache ist hier.

Mehrprotonige Säuren

Säuren können 1, 2 oder mehrere Protonen (H+) freisetzen. Typische Beispiele sind:

  1-protonige Säure (HA) 2-protonige Säure (H2A) 3-protonige Säure (H3A)
  HCl H2CO3 H3PO4
  HNO3 H2SO4 H3AsO4
  HI H2CrO4 Zitronensäure
  HF H2SeO4
  Ameisensäure Oxalsäure  
  Essigsäure, …  

Eine 1-protonige Säure ist durch eine Säurekonstante K1 (= KS), eine 2-protonige Säure durch zwei Säurekonstanten (K1, K2) und eine 3-protonige Säure durch drei Säure­konstanten (K1, K2, K3) charakterisiert — für jede Dissoziationsstufe jeweils eine Konstante:

  1. Dissoziationsstufe: H3A = H+ + H2A-   K1
  2. Dissoziationsstufe: H2A- = H+ + HA-2   K2
  3. Dissoziationsstufe: HA-2 = H+ + A-3   K3

Die drei Dissoziationsstufen einer 3-protonigen Säure lassen sich auch schreiben als

  H3A  =  H+ + H2A-   K1
  H3A  =  2H+ + HA-2   K1K2
  H3A  =  3H+ + A-3   K1K2K3

wobei hier jede Reaktion durch neue Gleichgewichtskonstanten definiert ist (Produkte gebildet aus K1, K2 und K3). Dieses Konzept ist für beliebige N-protonige Säuren erweiterbar. Ein Exot mit N = 7 ist beispielsweise EDTA.

Die Protonen werden nacheinander von der Säure freigesetzt, das erste ist am leichtesten gebunden und wird am schnellsten abgegeben, danach das zweite (welches stärker gebunden ist), danach das dritte (noch stärker gebunden), usw. Das ergibt für eine mehrprotonige Säure die folgende Rangordnung der Säurekonstanten:4

(9) K1 > K2 > K3 bzw. pK1 < pK2 < pK3

So gilt für die (3-protonige) Phosphorsäure: pK1 = 2.15, pK2 = 7.21, und pK3 = 12.35.

Beispiele.  Einfache Berechnungsformeln gibt es sowohl für 2-protonige als auch für N-protonige Säuren.

Anmerkungen

  1. Eine ausführliche mathematische Beschreibung findet man im Review (2021) oder als Lecture (2023). 

  2. Diese Kurzschreibweise deckt sich auch mit der Notation in den thermodynamischen Datenbanken (z.B. wateq4f.dat). 

  3. Arrhenius-Basen lassen sich z.B. mit BOH abkürzen, wobei das Kation B+ für Na+, K+, NH4+ usw. steht. 

  4. Bei organischen Säuren können die 2. und 3. Säurekonstante von ähnlicher Größe sein. 

[last modified: 2023-11-26]