Chemisches Gleichgewicht und Löslichkeit
Gleichgewicht zwischen Feststoff und Lösung
Das chemische Gleichgewicht mit Festphasen (Minerale, Salze) basiert auf dem Massenwirkungsgesetz. Bezeichnen wir die Festphase mit AaBb, dann gilt für deren Auflösung/Fällung die Reaktionsgleichung:1
(1) | AaBb = aA + bB | mit Gleichgewichtskonstante KL |
Das entsprechende Massenwirkungsgesetz lautet damit:
(2) | \(K_{L} = \dfrac{\{A\}^{a}\{B\}^{b}}{\{A_{a}B_{b}\}} = \{A\}^{a}\{B\}^{b}\) | (Löslichkeitsprodukt) |
In dieser Gleichung stehen anstelle der Konzentrationen die Aktivitäten (hier mit geschweiften Klammern symbolisiert). In 2 wurde zudem von der Konvention Gebrauch gemacht, dass die Aktivität einer reinen Festphase gleich 1 ist:
(3) | reine Mineralphase: | {AaBb} = 1 |
Thermodynamisches vs. Stöchiometrisches Löslichkeitsprodukt
Für den Idealfall ausreichend verdünnter Lösungen, also bei der Auflösung schwer löslicher Feststoffe in reinem Wasser, kann man die Aktivitäten in 2 durch Konzentrationen ersetzen: {A}, {B} \(\Longrightarrow\) [A], [B]. Diese Vereinfachung führt zum sogenannten stöchiometrischen Löslichkeitsprodukt KL*. Im Unterschied zu diesem konzentrationsbezogenen Löslichkeitsprodukt, bezeichnet man KL als das thermodynamische Löslichkeitsprodukt:2
(4a) | stöchiometrisches Löslichkeitsprodukt: | KL* = [A]a [B]b | (Konzentrationen) |
(4b) | thermodynamisches Löslichkeitsprodukt: | KL = {A}a {B}b | (Aktivitäten) |
Beide Größen können für ein und denselben Feststoff deutlich voneinander abweichen — insbesondere bei leicht löslichen Salzen. Deshalb sollte man beim Vergleich von Tabellenwerten aus der Literatur genau hinschauen, ob KL* oder KL gemeint ist.3
KL ist die fundamentalere der beiden Größen, da sie sowohl für verdünnte als auch unverdünnte, also nicht-ideale Lösungen gilt. Auf ihr beruhen auch die Gleichgewichtsrechnungen in aqion, wobei die entsprechenden log KL-Werte in der thermodynamischen Datenbank hinterlegt sind.
Da das Löslichkeitsprodukt je nach Feststoff um mehrere Zehnerpotenzen variiert, bietet sich die logarithmische Schreibweise an (analog zur Definition des pH-Wertes):
(5) | pKL = – log KL |
Eine Tabelle von pKL-Werten zum “thermodynamischen Löslichkeitsprodukt” von etwa 200 Mineralen und Salzen ist hier gegeben.
Als Daumenregel gilt folgende Einteilung:
schwerlöslich: | KL ≤ 1 | ⇔ | pKL ≥ 0 |
leichtlöslich: | KL > 1 | ⇔ | pKL < 0 |
Molare Löslichkeit L
Unter der Löslichkeit L versteht man die maximale Stoffmenge, die in 1 Liter reinem Wasser gelöst werden kann (Maßeinheit “mol/L”, aber auch “g/L”).
Bei der “kongruenten Lösung” bleibt die stöchiometrische Zusammensetzung des Feststoffes nach der Auflösung erhalten, d.h. am Ionenverhältnis A:B = a:b ändert sich nichts. Dieses Faktum liegt der Definition der molaren Löslichkeit zugrunde:
(6) | \(L\ \equiv \ \dfrac{[A]}{a} = \ \dfrac{[B]}{b}\) |
Setzt man L in 4a ein, so folgt:
(7) | KL* = [A]a [B]b = (L·a)a (L·b)b = La+b aa bb |
Die Umstellung nach L liefert uns schließlich den Zusammenhang zwischen der Löslichkeit L und dem Löslichkeitsprodukt KL*:
(8) | molare Löslichkeit: | \(L \ = \ \dfrac{[A]}{a} = \ \dfrac{[B]}{b} \ = \ \sqrt[a+b\,]{\dfrac{K^{*}_{L}}{a^a\,b^b}}\) |
Je kleiner der KL-Wert, desto weniger löslich ist der Feststoff.
Verallgemeinerung. Die Zwei-Ionen-Formel für “AaBb” lässt sich auf 3 und mehr Ionen verallgemeinern (unter Zuhilfenahme derselben Argumente). So erhält man z.B. für die Löslichkeit von “AaBbCc” folgende Formel:
(9) | \(L \ = \ \dfrac{[A]}{a} = \ \dfrac{[B]}{b} \ = \ \dfrac{[C]}{c} \ = \ \sqrt[a+b+c\,]{\dfrac{K^{*}_{L}}{a^a\,b^b\,c^c}}\) |
Warnung. Die Gleichungen (8) und (9) sind Näherungsformeln und mit Bedacht zu verwenden, da sie mehrere Punkte nicht berücksichtigen: (i) die Existenz anderer Ionen in der Lösung, (ii) die Komplexbildung, (iii) die Aktivitätskorrekturen.
Sättigungsindex SI
Das Massenwirkungsgesetz in 2 bzw. 4b gilt für das chemische Gleichgewicht (“equilibrium”) und definiert somit die Gleichgewichts-Aktivitäten {A}eq und {B}eq:
(10) | chem. Gleichgewicht: | KL = {A}aeq {B}beq |
Eine Lösung muss aber nicht zwangsläufig im Gleichgewicht mit der Mineralphase stehen. Das Ionenaktivitätsprodukt (IAP) hat die gleiche Form wie 10, anstelle der Gleichgewichts-Aktivitäten {A}eq und {B}eq stehen hier aber die tatsächlichen Aktivitäten {A}actual und {B}actual:
(11) | Nicht-Gleichgewicht: | IAP = {A}aactual {B}bactual |
Mit Hilfe des IAP und der Gleichgewichtskonstanten KL wird der Sättigungsindex nun wie folgt definiert:
(12) | Sättigungsindex: | SI \(\,=\, \log \left( \dfrac{\textrm{IAP}}{K_{L}} \right)\) |
Anhand des SI lässt sich überprüfen, ob ein Wasser in Bezug auf eine bestimmte Festphase übersättigt oder untersättigt ist:
SI = 0 | IAP = KL | \(\longrightarrow\) | im Gleichgewicht |
SI < 0 | IAP < KL | \(\longrightarrow\) | untersättigt |
SI > 0 | IAP > KL | \(\longrightarrow\) | übersättigt |
Beispiele
Beispiele zur Mineralauflösung:
- Löslichkeit von Calcit im geschlossenen und im offenen CO2-System
- Löslichkeit von Gips
Eine Liste, der in aqion verwendeten Mineralphasen ist hier gegeben.
Anmerkungen
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Der Übersichtlichkeit halber wird die elektrische Ladung in den Gleichungen weggelassen. Die mathematische Korrektheit bleibt davon unangetastet. ↩
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In der englischsprachigen Literatur wird das Löslichkeitsprodukt mit Ksp (“solubility product”) abgekürzt. ↩
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Erschwerend kommt hinzu, dass für beide Größen oftmals die gleiche Bezeichnung KL verwendet wird. ↩