Grundgesetze zur molaren Leitfähigkeit
Molare und Äquivalent-Leitfähigkeit
Die elektrische Leitfähigkeit LF (auch “spezifische Leitfähigkeit” genannt) gehört zu den Wasserparametern, die sich relativ einfach messen lassen. Ungeachtet dessen gibt es bis heute kein theoretisches Modell, welches LF-Werte für Wässer beliebiger Zusammensetzung, Ionenstärke und Temperatur exakt berechnet. Deshalb muss man mit mehr oder weniger raffinierten Näherungsverfahren und -Formeln vorlieb nehmen.1
Grundlegende physikalische Betrachtungen gehen fast immer von den molaren und/oder Äquivalent-Leitfähigkeiten aus:
(1a) | spezifische Leitfähigkeit 2,3 | LF | in S/m (oder µS/cm) |
(1b) | molare Leitfähigkeit | Λm = LF / c | in S cm2 mol-1 |
(1c) | Äquivalent-Leitfähigkeit | Λeq = Λm / |z| | in S cm2 eq-1 |
Hier bezeichnen c die molare Konzentration des gelösten Elektrolyten (in mol/L) und z die elektrische Ladung. Die molare Leitfähigkeit Λm ist definiert als die Leitfähigkeit einer Lösung, die 1 Mol Elektrolyt enthält und die sich zwischen zwei planparallelen Platten im Abstand von 1 cm befindet.
Die Äquivalent-Leitfähigkeit Λeq berücksichtigt, dass manche Ionen mehrfach geladen sind und bei ihrer Wanderung entsprechend mehr Landung transportieren. Führt man anstelle der molaren Stoffmengenkonzentration c die
(2) | Äquivalent-Konzentration: ceq = |z| c |
ein, so lässt sich die Äquivalent-Leitfähigkeit in 1c auch ausdrücken durch
(3) | Λeq = LF / ceq |
Kohlrausch-Gesetz für Starke Elektrolyte
Unter “starken Elektrolyten” versteht man Salze, Säuren und Basen, die vollständig dissozieren. Für diese Stoffgruppe – so könnte man annehmen – sollte ein linearer Zusammenhang zwischen LF und Konzentration c bestehen, also LF = const · c, wobei die molare Leitfähigkeit Λm als Proportionalitätsfaktor fungiert. Das ist leider nicht so. Die gewünschte Proportionalität existiert nur im Grenzfall unendlich verdünnter Lösungen.
Bei realen Lösungen kommen Ion-Ion-Wechselwirkungen ins Spiel. Um 1900 hat F. Kohlrausch aus experimentellen Daten ein “Quadratwurzelgesetz” abgeleitet:
(4a) | \(\Lambda_{eq} \ = \ \Lambda_{eq}^{0} - K \sqrt{c_{eq}}\) | (2. Kohlrausch-Gesetz) |
bzw.
(4b) | \(\Lambda_{m} \ = \ \Lambda_{m}^{0} - K' \sqrt{c}\) | mit K’ = K / |z|1.5 |
Es gilt für “starke Elektrolyte”4 bei niedrigen Konzentrationen c ≤ 10 mM. Die Quadratwurzel-Abhängigkeit von c bzw. ceq wurde 50 Jahre später von Debye, Hückel und Onsager theoretisch begründet. K ist ein (nicht-trivialer) stoffspezifischer Koeffizient.
Grenzleitfähigkeiten. Die Größen \(\Lambda_{m}^{0}\) und \(\Lambda_{eq}^{0}\) sind Leitfähigkeiten bei unendlicher Verdünnung (c → 0):
(5a) | Äquivalent-Grenzleitfähigkeit | \(\Lambda_{eq}^{0}\) | in S cm2 eq-1 |
(5b) | molare Grenzleitfähigkeit | \(\Lambda_{m}^{0}\) | in S cm2 mol-1 |
Nur die Grenzleitfähigkeiten sind experimentell zugänglich (und für bestimmte Ionen auch tabelliert).
Kohlrausch-Gesetz der unabhängigen Ionenwanderung
Das Gesetz der unabhängigen Ionenwanderung (1. Kohlrausch-Gesetz) besagt, dass die molare Grenzleitfähigkeit sich additiv aus zwei Anteilen zusammensetzt, dem der Kationen und dem der Anionen:
(6) | \(\Lambda_{m}^0 \ = \ \nu_+ \Lambda_m^+ + \nu_- \Lambda_m^-\) | (1. Kohlrausch-Gesetz) |
mit \(\nu_+\) und \(\nu_-\) als stöchiometrische Koeffizienten. Dank dieses Gesetzes lassen sich molare Grenzleitfähigkeiten zusammengesetzter Lösungen aus Tabellenwerten berechnen (zumindest für starke Elektrolyte). Typische Beispiele für molare Grenzleitfähigkeiten von Einzel-Ionen sind (für 25)5:
Kation | \(\Lambda_m^+\) [S cm2 mol-1] | Anion | \(\Lambda_m^-\) [S cm2 mol-1] | ||
---|---|---|---|---|---|
H+ | 349.6 | OH- | 197.9 | ||
Na+ | 50.0 | Cl- | 76.2 | ||
K+ | 73.6 | Br- | 75.5 |
Das Gesetz in 6 erlaubt uns also, die Gesamtleitfähigkeit als Summe der molaren Leitfähigkeiten aller in der Lösung befindlichen Ionen i zu berechnen:
(7a) | ideale Lösung: | \(LF^{(0)} \ = \ \sum\limits_i \, \Lambda_{m,i}^0 \, c_i \ = \ \sum\limits_i \, \Lambda_{eq,i}^0 \mid\! z_i\!\mid c_i\) |
(7b) | reale Lösung: | \(LF \ \ \ = \ \sum\limits_i \, \Lambda_{m,i} \, c_i \ = \ \sum\limits_i \, \Lambda_{eq,i} \mid\! z_i\!\mid c_i\) |
Gleichung (7b) ist der Ausgangspunkt für die dritte Berechnungsmethode in aqion, welche auf Diffusionskoeffizienten beruht. Die entsprechende Gleichung ist hier hergeleitet.
Anmerkungen & Referenzen
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Eine Übersicht zu modernen Berechnungsmethoden bietet: RB McCleskey, DK Nordstrom, JN Ryan: Comparison of electrical conductivity calculation methods for natural waters, Limnol. Oceanogr.: Methods 10, 952–967 (2012) ↩
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Die spezifische Leitfähigkeit wird oftmals mit σ abgekürzt; unsere Bezeichnung “LF” orientiert sich an dem Namen, unter dem diese Größe im Programm ausgegeben wird. ↩
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Zur Erinnerung: Die elektrische Leitfähigkeit (conductivity σ) ist eine material- bzw. ionen-spezifische Eigenschaft mit der Einheit S/m. Diese ist nicht zu verwechseln mit dem elektrischen Leitwert (conductance G), dessen Einheit S (= Ω-1) ist. ↩
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Für schwache Elektrolyte – also Stoffe, die unvollständig dissoziieren – gilt das Ostwald’sche Verdünnungsgesetz. Dort gehen u.a. die Gleichgewichtskonstanten der jeweiligen schwachen Säure bzw. Base ein. ↩
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Das ist ein Auszug aus der Tabelle der verwendeten Daten – siehe hier. ↩