Elektrische Leitfähigkeit (LF)
Modelle zur Berechnung der Leitfähigkeit
Die elektrische Leitfähigkeit (LF) ist ein Maß für die Menge der im Wasser gelösten Ionen. Es gibt verschiedene empirische und theoretische Ansätze zur LF-Berechnung.1 Das Programm bietet dazu drei Algorithmen:
- linearer Ansatz (proportional zur Ionenstärke)
- pseudo-linearer Ansatz (Marion & Babcock)
- Berechnung basierend auf Diffusionskoeffizienten (Appelo 2010)2 – in aqion als Standard voreingestellt
Die Auswahl des Modells erfolgt unter Settings (in oberer Menüleiste). Während die ersten beiden Modelle einfache empirische Ansätze sind (Näherungsformeln, welche von der Ionenstärke I ausgehen), nutzt das dritte Modell den physikalischen Zusammenhang zwischen molarer Leitfähigkeit und den Diffusionskoeffizienten der gelösten Ionen. Das dritte Modell ist im Programm als Standardmethode voreingestellt.
Die berechnete Leitfähigkeit wird in zwei Formen ausgegeben: als LF zur vorgegebenen Wassertemperatur T und als LF25 nach der Temperaturkompensation.
Methode 1: Linearer Ansatz (LF proportional zur Ionenstärke)
Der wohl einfachste empirische Ansatz nutzt einen linearen Zusammenhang zwischen der elektrischen Leitfähigkeit und der Ionenstärke I:
(1a) | LF (µS/cm) | = | 6.2 104 × I (mol/L) | |
(1b) | LF (mS/m) | = | 6.2 103 × I (mol/L) |
In der Literatur findet man oft auch die umgekehrte (inverse) Beziehung:
(2) | I (mol/L) = 1.6 10-5 × LF (µS/cm) |
Beides sind Näherungsformeln. Der lineare Ansatz in 1a steht als eine von drei Möglichkeiten zur LF-Berechnung im Programm zur Auswahl.3
Man beachte: Die Maßeinheit der elektrischen Leitfähigkeit hat ihre Tücken. Man sollte genau hinschauen, ob diese in µS/cm oder mS/m angegeben ist (zwischen beiden gilt ein Faktor 10: 1 mS/cm = 10 µS/m). Um dies zu veranschaulichen, wurde zu 1a extra noch 1b beigestellt.
TDS. Zwischen LF und TDS besteht ein einfacher empirischer Zusammenhang – siehe hier.
Methode 2: Pseudo-linearer Ansatz (Marion & Babcock)
Ebenso wie der lineare Ansatz beruht auch der pseudo-lineare Ansatz auf der Ionenstärke.4 Dazu verwendet Sposito5, basierend auf den Ergebnissen von Marion & Babcock6, folgende Beziehung:
(3) | log I = 1.159 + 1.009 log LF | für I ≤ 0.3 mol/L |
Man beachte: In dieser Gleichung hat I die Maßeinheit mmol/L (= mM) und LF die Maßeinheit dS/m – das sind andere Maßeinheiten als sie 1a verwendet. Die Umstellung und Umrechnung der Maßeinheiten hat einige Stolpersteine, daher soll sie hier schrittweise erklärt werden:
log (LF / dS∙m-1) | = | 0.991 log (I/mM) – 1.149 | |
log (10-3 LF / µS∙cm-1) | = | 0.991 log (103 I/M) – 1.149 | |
log (LF / µS∙cm-1) – 3 | = | 0.991 [ 3 + log (I/M) ] – 1.149 | |
log (LF / µS∙cm-1) | = | 4.824 + log (I/M) |
Potenziert man die letzte Gleichung (man setze also 10x), so folgt
(4) | LF (µS/cm) = 6.67 104 × [ I (mol/L) ] 0.991 |
Ein Vergleich mit 1a zeigt, wie ähnlich doch beide Ansätze sind (da I0.991 ≈ I). Man kann letzteren deswegen auch “pseudo-linear” nennen. Wegen dem größerem Vorfaktor liefert 4 allerdings etwas höhere LF-Werte als 1a.
[Auch die Bezeichnung “Inverse Marion-Babcock” ist für diese Methode üblich. Sie rührt daher, dass die Ausgangsgleichung (3) nach LF umgestellt (also “invertiert”) wurde.]
Methode 3: Leitfähigkeit basierend auf Diffusionskoeffizienten
Den Ausgangspunkt bildet die Nernst-Einstein Gleichung. Sie beschreibt den physikalischen Zusammenhang zwischen molarer Leitfähigkeit \(\Lambda_{m,i}^{0}\) eines Ions i und dessen Diffusionskoeffizienten Di. Diese fundamentale Beziehung wurde von Appelo2 aufgegriffen und in ein praktikables Modell umgesetzt:
(5) | \(EC \ = \ \left( \dfrac {F^2}{RT} \right) \ \sum\limits_i \, D_i z_i^2 \, (\gamma_i)^{\alpha} \, c_i\) |
Die Symbole sowie die mathematische Herleitung dieser Gleichung ist hier beschrieben. 5 ist der in aqion verwendete Standardalgorithmus zur LF-Berechnung.
Während also die beiden erstgenannten Methoden von einem einzelnen Summenparameter “Ionenstärke” ausgehen (als Summe über alle Ionen), berücksichtigt Methode 3 die unterschiedliche Art der Ionen (ausgedrückt durch unterschiedliche Diffusionskoeffizienten).
Temperaturkompensation: LF ⇒ LF25
Die elektrische Leitfähigkeit ist stark temperaturabhängig. Sie nimmt mit steigender Wassertemperatur zu: um ca. 2% bei 1 Grad Erhöhung. LF-Messwerte sind standardmäßig auf die Referenztemperatur 25 bezogen und werden z.B. mit LF25 abgekürzt.
Das Programm berechnet zuerst die Leitfähigkeit LF für die vorgegebene Temperatur T der Wasseranalyse und transformiert diese dann auf den Wert für 25:
(6) | LF25 = 1.125 · 10-A/B · LF |
mit den beiden Parametern:7
(6a) | A = 1.37023 (T – 20) + 8.36·10-4 (T – 20)2 |
(6b) | B = 109 + T und T in °C |
Dieser Modellansatz beruht auf dem physikalischen Zusammenhang zwischen elektrischer Leitfähigkeit, Diffusionskoeffizient und Viskosität. Die mathematische Herleitung dieser Formel ist hier erklärt.
Auch wenn man es 6 auf den ersten Blick nicht ansieht, für 25 liefert sie exakt den Wert LF25/LF = 1.
Programmausgabe. Es werden beide LF-Werte in den Ergebnistabellen ausgegeben:
LF25 | (bei Referenztemperatur 25°C) | wenn Kontrollkästchen Mol eingeschaltet |
LF | (bei Wassertemperatur T) | wenn Kontrollkästchen Mol ausgeschaltet |
[Durch das An- und Ausschalten des Kontrollkästchen verschafft man sich so einen Überblick zum Unterschied zwischen LF und LF25. Schon bei gewöhnlichen Wässern mit T≠25°C weichen beide Werte deutlich voneinander ab.]
Theorie vs. Praxis. Anstelle von 6 hätte der Praktiker eigentlich eine andere Formel erwartet, nämlich den oft verwendeten Ansatz
(7) | LF25 = LF / [ 1 + a (T – 25) ] |
mit T als Temperatur in °C und dem Koeffizienten a (der im Bereich zwischen 0.01 und 0.03 liegt).
Dazu sollte man aber wissen, dass 7 eine linearisierte Näherung von 6 ist. Die mathematische Ableitung von 7 aus 6 kann man hier nachlesen. Der auf diese Weise berechnete Kompensationsparameter beträgt a = 0.020 °C-1.
Maßeinheiten und deren Umrechnung
Die Umrechnung der Maßeinheiten ist zugegebenermaßen etwas gewöhnungsbedürftig:
1 mS/m | = | 10 µS/cm |
1 dS/m | = | 1000 µS/cm |
1 dS/m | = | 1 mS/cm |
1 µmho/cm | = | 1 µS/cm |
wobei 1 S = 1 Siemens = 1 ohm-1 = 1 mho. Die Ausgabe im Programm erfolgt in µS/cm. [Im Englischen wird die Leitfähigkeit mit EC abgekürzt.]
Typische Leitfähigkeiten wässriger Lösungen
absolut reines Wasser (Eigenleitfähigkeit) | 0.055 | µS/cm |
destilliertes Wasser | 0.5 | µS/cm |
Regenwasser | 5 – 30 | µS/cm |
Trinkwasser | 500 – 1000 | µS/cm |
Grundwasser | 30 – 2000 | µS/cm |
Industrieabwasser | 5000 | µS/cm |
Meereswasser | 54 000 | µS/cm |
konzentrierte Säuren und Basen | bis 1 000 000 | µS/cm |
Eigenleitfähigkeit. Aufgrund der Eigendissoziation des Wassers in H+ und OH- ist die elektrische Leitfähigkeit von absolut reinem Wasser (H2O) nicht Null, sondern LF = 0.055 µS/cm.
Referenzen
-
RB McCleskey, DK Nordstrom, JN Ryan: Comparison of electrical conductivity calculation methods for natural waters, Limnol. Oceanogr.: Methods 10, 952–967 (2012) ↩
-
CAJ Appelo: Specific conductance – how to calculate the specific conductance with PhreeqC (2010), http://http://www.hydrochemistry.eu/exmpls/sc.html ↩ ↩2
-
Genau diese Näherungsformel wird auch in der DIN 38404-C10R3 (1995) verwendet. ↩
-
Die Ionenstärke I ist eine Größe, die jedes Hydrochemiemodell per se bereitstellen muss, um die Aktivitätskorrektur ausführen zu können. Nichts scheint daher naheliegender, als die LF-Berechnung auf I aufzubauen. ↩
-
Garrison Sposito: The Chemistry of Soils, 2nd Edition, Oxford University Press, 2008, (siehe Gl.(4.23) auf Seite 111) ↩
-
GM Marion, KL Babcock: Predicting specific conductance and salt concentration in dilute aqueous solutions. Soil Sci. 122, 181–187 (1976) ↩
-
P Atkins and J de Paula: Physical Chemistry, 8th Edition, W. H. Freeman and Company New York, 2006, Table 21.4, p. 1019 ↩