Temperatur-Korrektur von log K
Jede aquatische Spezies und Mineralphase ist durch eine Reaktionsgleichung und der zugehörigen Gleichgewichtskonstanten (log K-Wert) charakterisiert. Der log K-Wert ist temperaturabhängig (oftmals sogar stark). Die Thermodynamik bietet mehrere Ansätze für eine T-Korrektur:
• | van’t Hoff Gleichung | ΔCP = 0 | ||
• | allgemeinster Ansatz | ΔCP als allgemeine Funktion von T | ||
• | konstantes ΔCP | ΔCP = const | ||
• | PhreeqC-Parametrisierung | ΔCP = a + bT – c/T2 |
Die letzten beiden Parametrisierungen sind Sonderfälle des allgemeinen Ansatzes, der auf der Änderung der Wärmekapazität in einer Reaktion basiert:
(1) | ΔCP = CP (Produkte) – CP(Edukte) |
Man beachte: ΔCP = 0 ist nicht zu verwechseln mit CP = 0 für die Wärmekapazität einer Komponente bei konstantem Druck (letztere ist immer positiv und niemals Null). Im Gegensatz dazu kann ΔCP sogar negativ sein.
van’t Hoff Gleichung
Den Ausgangspunkt bildet der fundamentale Zusammenhang zwischen dem log K-Wert und der Gibbs-Energie ΔG0:
(1.1) | \(\ln K = -\dfrac{\Delta G^{0}}{RT}\) |
mit R = 8.314 J mol-1 K-1 als Gaskonstante. Die Gibbs-Energie selbst ist ein Konstrukt aus Enthalpie H und Entropie S: G = H – TS. Daraus folgt für die Gibbs-Energie-Änderung:
(1.2) | ΔG0 = ΔH0 – T ΔS0 |
wobei ΔH0 die Wärme ist, die absorbiert oder freigesetzt wird, wenn die Reaktion unter konstantem Druck abläuft. Sie ist die Energie, die man zur Überwindung der intermolekularen Kräfte braucht (also zum Aufbrechen der chemischen Bindungen). Die Entropie hingegen bezieht sich auf den Grad der Unordnung im System (“mixed-up-ness” nach Gibbs).
Setzt man 1.2 in 1.1 ein, und zwar einmal für eine beliebige Temperatur T (welche log K definiert) und anschließend für die Standardtemperatur To (welche log Ko definiert), dann folgt:
(1.3a) | \(\ln K \, = - \dfrac{1}{R} \, \left( \dfrac{\Delta H^{0}}{T} - \Delta S^{0} \right)\) |
(1.3b) | \(\ln K_o \,= -\dfrac{1}{R} \, \left( \dfrac{\Delta H^{0}}{T_o} - \Delta S^{0} \right)\) |
Nach Subtraktion der zweiten von der ersten Gleichung folgt (mit ln a – ln b = ln (a/b)):
(1.4) | \(\ln \dfrac{K}{K_{o}} \ = \ \dfrac{\Delta H^{0}}{R} \,\left( \dfrac{1}{T_{o}} -\dfrac{1}{T} \right )\) |
Dies ist die van’t Hoff-Gleichung. Die T-Korrektur von log K wird hier allein durch die Enthalpie ΔH0 bestimmt (vorausgesetzt ΔH0 ist T-unabhängig).
Mit dem Übergang vom natürlichen zum dekadischen Logarithmus, ln K = ln 10 · K = 2.3 · K, folgt aus 1.4:
(1.5) | \(\lg K \ = \ \lg K_{o} \,+\, \dfrac{\Delta H^{0}}{2.3 \, R} \,\left( \dfrac{1}{T_{o}} -\dfrac{1}{T} \right)\) |
Mit 1.2 kann dies auch geschrieben werden als
(1.6) | \(\lg K \ = \ \dfrac{1}{2.3 \, R} \,\left( \Delta S^0 - \dfrac{\Delta H^0}{T} \right)\) |
Für T = To geht K zu Ko über.
Ist die Reaktion endotherm (ΔH0 > 0), dann erhöht sich mit steigender Temperatur auch die Gleichgewichtskonstante K, d.h. die Reaktion verschiebt sich zugunsten der Produkte. Bei exothermen Reaktionen (ΔH0 < 0) ist es umgekehrt; mit steigendem T verlagert sich die Reaktion in Richtung der Ausgangsstoffe (Prinzip von Le Chatelier).
Notation. Üblicherweise sind thermodynamische Größen wie ΔG0 mit noch mehr Indizes versehen als wir es hier getan haben (der Einfachheit halber). Jedes Symbol, jeder Index hat seine Bedeutung:
-
Das Symbol Δ verweist auf die Energie-Differenz zwischen Produkten und Edukten: ΔG = Gprod – Geduc (ähnlich wie in 1 für CP). Genaugenommen schreibt man ΔrG mit “r” für Reaktion. Dies gilt gleichermaßen für ΔH und ΔS.
-
Das hochgestellte “0” in ΔG0 bezieht sich auf den Gleichgewichtszustand, der ein Spezialfall von ΔG = ΔG0 + RT ln Q ist, wenn der Reaktionsquotient Q den Wert 1 annimmt.
-
Der Index “o” in Ko bezieht sich auf die Standardtemperatur To = 25 (298 Kelvin). Dies gilt ebenso für ΔGo, ΔHo, und ΔSo übertragen.
Da wir uns nur mit Gleichgewichtsgrößen befassen, verzichten wir fortan bei ΔG0, ΔH0, und ΔS0 auf das hochgestellte “0”.
Allgemeinster Ansatz basierend auf ΔCP
Die Temperaturkorrektur à la van’t Hoff in 1.4 basiert auf der Annahme, dass sowohl ΔH0 als auch ΔS0 konstant sind, in Wirklichkeit sind beide aber T-abhängig:
(2.1a) | \(\left( \dfrac{\partial \Delta H}{\partial T}\right)_{\!\!P} \ = \ \Delta C_P\) | ⟺ | \(\Delta H-\Delta H_o \, = \, \int\limits^T_{T_o} \, \Delta C_P \, dT\) | ||
(2.1b) | \(\left( \dfrac{\partial \Delta S}{\partial T}\right)_{\!\!P} \ = \ \dfrac{\Delta C_P}{T}\) | ⟺ | \(\Delta S-\Delta S_o \, = \, \int\limits^T_{T_o} \, \dfrac{\Delta C_P}{T} \, dT\) |
Die Wärmekapazität spielt hier eine zentrale Rolle; sie selbst hängt von der Temperatur ab (siehe unten) und bestimmt somit die Integrale. Zur Vereinfachung führen wir folgende Abkürzungen für die Integrale ein:
(2.2a) | ΔIH | ≡ | ΔH – ΔHo | = | \(\int\limits^T_{T_o} \, \Delta C_P \, dT\) | |
(2.2b) | ΔIS | ≡ | ΔS – ΔSo | = | \(\int\limits^T_{T_o} \, \dfrac{\Delta C_P}{T} \, dT\) |
(2.2c) | \(\Delta I \ \ \equiv \ \ \Delta I_S - \dfrac{\Delta I_H}{T}\) |
Ziel ist es nun, eine K-Formel herzuleiten, die explizit die Wärmekapazität ΔCP oder deren Integrale enthält. Dazu setze man 1.2 in 1.1 ein:
(2.3a) | \(R\,\ln \dfrac{K}{K_{o}}\) | = | \(-\left( \dfrac{\Delta G}{T} - \dfrac{\Delta G_o}{T_{o}} \right)\) | |
(2.3b) | = | \(-\left( \dfrac{\Delta H}{T} - \Delta S - \dfrac{\Delta H_o}{T_{o}} + \Delta S_o\right)\) |
und ersetze ΔS – ΔSo durch 2.2b:
(2.4) | \(R\,\ln \dfrac{K}{K_{o}} \ = \ \dfrac{\Delta H_o}{T_o} - \dfrac{\Delta H}{T} + \Delta I_S\) |
Im nächsten Schritt nutzen wir 2.2a und 2.2c:
(2.5) | \(\ln \dfrac{K}{K_{o}} \ = \ \dfrac{\Delta H^{0}}{R} \,\left( \dfrac{1}{T_{o}} -\dfrac{1}{T} \right ) \ +\ \dfrac{\Delta I}{R}\) |
Dies kann auch geschrieben werden als:
(2.6) | \(\lg K \ = \ \dfrac{1}{2.3 \, R} \,\left( \Delta S^0 - \dfrac{\Delta H^0}{T} \right) \, +\, \Delta I\) |
Die letzten beiden Formeln verallgemeinern die van’t Hoff-Gleichung in (1.4) und (1.6) für beliebige ΔCP. Die gesamte Information zu ΔCP steckt hierbei im Integral ΔI.
Die Herleitung lässt sich wie folgt zusammenfassen:
Resümee. Die hergeleitete K-Formel als Funktion von T geht über den einfachen van’t Hoff-Ansatz hinaus. Um daraus für die Praxis anwendbare Formeln abzuleiten, d.h. um die Integrale in (2.2a) und (2.2b) zu berechnen, muss man Annahmen über die T-Abhängigkeit der Wärmekapazität ΔCP(T) treffen. Dies geschieht in den nächsten beiden Abschnitten.
T-Korrektur für ΔCP = const
Die einfachste Annahme zu ΔCP ist:
(3.1) | ΔCP = a |
Die Integration gemäß 2.2c liefert:
(3.2) | ΔI = a { ln (T/To) + (To/T) – 1 } |
Nach Einsetzen in 2.5 folgt schließlich die gesuchte Formel:
(3.3) | \(\ln \dfrac{K}{K_{o}} \ = \ \dfrac{\Delta H^{0}}{R} \,\left( \dfrac{1}{T_{o}} -\dfrac{1}{T} \right ) \ +\ \dfrac{a}{R} \,\left( \ln \dfrac{T}{T_o} + \dfrac{T_o}{T} -1 \right)\) |
T-Korrektur für PhreeqC
Den Ausgangspunkt bildet folgender Ansatz für die Wärmekapazität:
(4.1) | ΔCP(T) = a + bT – c/T2 | (Maier & Kelley 1932) |
Die Integration in (2.2a) und (2.2b) liefert:
(4.2a) | ΔIH | = | \(\left( aT + \dfrac{bT^2}{2} + \dfrac{c}{T} \right) - \left( aT_o + \dfrac{bT_o^2}{2} + \dfrac{c}{T_o} \right)\) | |
(4.2b) | ΔIS | = | \(\left( a \,\ln T + bT - \dfrac{c}{2T^2} \right) - \left( a \,\ln T_o + bT_o - \dfrac{c}{2T_o^2} \right)\) |
Nach Einsetzen in 2.6 — und einfachen Umstellungen — folgt die gesuchte Parametrisierung des K-Werts:
(4.3) | \(\log K \ = \ A + B\,T + \dfrac{C}{T} + D \,\log T + \dfrac{E}{T^2}\) |
mit den fünf Koeffizienten (A, B, C, D, E), die sich aus ΔSo, ΔHo, a, b, und c ergeben:
(4.4a) | A | = | \(\dfrac{1}{2.3\,R} \,\left( \Delta S_o - a(1+\ln T_o) - b T_o - \dfrac{c}{2T_o^2} \right)\) | |
(4.4b) | B | = | \(\dfrac{1}{2.3\,R} \ \dfrac{b}{2}\) | |
(4.4c) | C | = | \(\dfrac{1}{2.3\,R} \,\left( a T_o + \dfrac{b T_o^2}{2} + \dfrac{c}{T_o} - \Delta H_o\right)\) | |
(4.4d) | D | = | \(\dfrac{a}{R}\) | |
(4.4e) | E | = | \(-\dfrac{1}{2.3\,R} \ \dfrac{c}{2}\) |
Umgekehrt sind wir in der Lage, aus den fünf K-Parametern (A, B, C, D, E) die T-Abhängigkeit der einzelnen thermodynamischen Größen zu berechnen:
(4.5a) | ΔH (T) | = | \(2.3\,R\ \left( BT^2 - C + \dfrac{DT}{2.3} - \dfrac{2E}{T} \right)\) | |
(4.5b) | ΔS (T) | = | \(2.3\,R\ \left( A + 2BT + \dfrac{D}{2.3} \, (1+\ln T) - \dfrac{E}{T^2} \right)\) | |
(4.5c) | a | = | \(R\,D\) | |
(4.5d) | b | = | \(\ \ \ 2.3\, R \,\cdot\, 2B\) | |
(4.5e) | c | = | \(-2.3\,R \,\cdot\, 2E\) |
Die letzten drei Konstanten a, b und c liefern die Wärmekapazität:
(4.6) | ΔCP (T) | = | \(2.3\,R\ \left( \dfrac{D}{2.3} + 2B\cdot T + \dfrac{2E}{T^2} \right)\) |
Gleichung (4.3) ist die von PhreeqC verwendete Parametrisierung (die aber auch in anderen Programmen und Datenbanken verwendet wird).
Überblick. Die Grundidee hinter der K-Parametrisierung lässt sich wie folgt zusammenfassen:
Damit ist man in der Lage, die fünf Parameter (A, B, C, D, E) mit den entsprechenden Thermodynamik-Größen zu verknüpfen:
Inverse Aufgabe: Man bestimmt die thermodynamischen Größen aus den fünf PhreeqC-Parametern (A, B, C, D, E):
Anwendung der T-Korrektur in Hydrochemie-Modellen
Um Gleichgewichtsreaktionen bei Temperaturen zu berechnen, die von der Standardtemperatur 25 abweichen, sind drei Angaben erforderlich:
- die Reaktionsgleichung (Stöchiometrie)
- der K-Wert (bei 25)
- eine Parametrisierung zur T-Korrektur für K
In PhreeqC und aqion stehen für die T-Korrektur zwei Optionen zur Verfügung:
- van’t Hoff-Gleichung basierend auf ΔH0 = const
- Gleichung (4.3), die auf 5 Koeffizienten beruht
Welche Option tatsächlich verwendet wird, hängt vom Datensatz ab, der für jede Spezies und jedes Mineral zur Verfügung steht. Diese Informationen entnimmt das Programm aus der zugrundeliegenden thermodynamischen Datenbank.